Antibiotikaresistente Krankheitserreger aus der Intensivmast sind auch für Menschen gefährlich. Diese Nachricht des Wissenschaftsmagazins "Science" vom 27.08.2010 besorgt nicht nur Wissenschaftler.
Was haben Krankenhäuser und industrielle Tierställe gemeinsam? In beiden herrschen günstige Bedingungen für die Entwicklung neuer Bakterienstämme, die gegen Antibiotika widerstandsfähig (resistent) sind. In Kliniken und Pflegeeinrichtungen bekannt und berüchtigt sind resistente Stämme des Bakteriums Staphylococcus aureus. Früher wurden diese Erreger durch ihre Unempfindlichkeit gegenüber dem Antibiotikum Methicillin nachgewiesen. Deshalb werden sie gemeinhin als "Methicillin resistenter Staphylococcus aureus" (kurz: MRSA) bezeichnet. Doch die Bezeichnung trügt: MRSA-Bakterien sind bereits gegen eine große Gruppe verschiedener Antibiotika resistent, so z. B. auch Penicillin. Alleine in Deutschland erkranken nach Expertenschätzungen über 40.000 Menschen pro Jahr an dem lebensgefährlichen Krankenhauskeim. Erschreckend viele erliegen den Folgen der Infektion.
Nun berichtet das renommierte Wissenschaftsmagazin "Science" über die Ausbreitung eines neuen MRSA-Stammes, der nicht aus der medizinischen Pflege, sondern aus der Intensivtierhaltung stammt. Seine Kurzbezeichnung: ST398. Dieser Erreger hat bereits mehrere Menschen erkranken lassen, die beruflich oder familiär eng mit der Schweinezucht zu tun haben. Eine Infektion durch einen Klinikaufenthalt schließen die Forscher dagegen aus.
Erstmals diagnostiziert wurde der gefährliche Bakterienstamm bereits 2004 in Holland bei der 6 Monate alten Tochter eines Schweinebauern. Kurz darauf erkrankten auch ein Schweinezüchter und das Kind eines Tierarztes, der mit Schweinen arbeitet, an dem neuen Erreger. Daraufhin untersuchten die Forscher das Vorkommen von ST398 in der holländischen Bevölkerung. Das Ergebnis: Während erst 0,03 % der normalen Bevölkerung das riskante Bakterium in sich tragen, kam es bereits bei jedem Vierten der untersuchten Schweinebauern vor.
Damit steht fest, dass MRSA aus der industriellen Tierhaltung ein Infektionsrisiko für die menschliche Bevölkerung darstellen. Und das Risiko wächst – mit jedem Einsatz von Antibiotika im Tierstall und jeder neuen industriellen Tierhaltungsanlage. PROVIEH tritt dafür ein, den Einsatz von Antibiotika in der Intensivtierhaltung massiv einzuschränken. Die bisher übliche Behandlung auf Bestandsebene muss einer gezielten Einzeltierbehandlung weichen, und die Verschreibungspraxis muss kritisch geprüft werden.
MRSA besiedelt die Haut und die Schleimhäute, so auch ST398. Ist das Immunsystem des Trägers geschwächt oder kann der Keim durch eine Verletzung eindringen, so verursacht er Entzündungen. Die Schwere der Erkrankung reicht je nach Konstitution des Infizierten von kleineren Haut- und Gewebeinfektionen bis zu schweren Wund-, Brust- und Lungenentzündungen. Aus den Niederlanden sind bereits zehn schwere Fälle von Blutvergiftung mit ST398 dokumentiert und zwei Infektionen nach Hüftgelenksoperationen. Das Problem: Eine Behandlung mit Antibiotika ist bei MRSA erschwert, bei vielfach resistenten Stämmen manchmal sogar unmöglich. Einmal erworbene Resistenzen können zudem auf natürlichem Weg auf andere Bakterien übertragen werden, selbst über Artgrenzen hinweg.
Erkranken die von MRSA besiedelten Menschen nicht unmittelbar selbst, verbreiten sie die brisanten Keime unbemerkt weiter. Auch in Dänemark und Deutschland sind die schwer zu bekämpfenden Keime bei Tierhaltern bereits auf dem Vormarsch. Im Jahr 2009 veröffentlichte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Studie, demnach in 42 % von 201 untersuchten Schweinezuchtbetrieben bereits MRSA im Stallstaub nachgewiesen wurde. Fast immer (zu 93 %) handelte es sich dabei um den Stamm ST398. In Nordamerika wurde ST398 nicht nur bei Schweinen, sondern auch in Intensiv-Hühnerhaltungen nachgewiesen. Auf einer untersuchten Hühnerfarm waren bereits die Hälfte der Arbeiter und 45 % der Hühner mit dem resistenten Bakterium besiedelt. Flächendeckende Untersuchungen zu MRSA in der gewerblichen Geflügelmast in Deutschland fehlen bisher, was angesichts des derzeitigen Genehmigungsbooms für neue Hühnermastanlagen ein unverantwortliches Versäumnis der zuständigen Behörden darstellt.
Doch die Zeit drängt zum Handeln. Im Jahr 2005 erlagen allein in den USA rund 18.650 Menschen einer MRSA-Infektion – das sind mehr, als im gleichen Zeitraum an Aids starben.
31.08.2010 - Stefan Johnigk, Geschäftsführer PROVIEH
Quelle: PROVIEH - Landwirtschaftlicher Nutztierschutz Verband: http://www.provieh.de
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Ergebnis der wissenschaftlichen Studie:
In der Intensivtierhaltung eingesetzte Veterinärpharmaka werden von den behandelten Nutztieren als unveränderte Ausgangsverbindungen oder Metaboliten ausgeschieden und gelangen in die Gülle. Die Anwendung dieses Wirtschaftsdüngers stellt damit den Eintragspfad für Veterinärpharmaka-Rückstände in Böden dar.
In diesem komplexen Umweltkompartiment fungieren Abbau und Sorption als konzentrations-bestimmende Prozesse und entscheiden damit über die Verlagerbarkeit von Rückständen mit dem perkolierenden Sickerwasser in den Unterboden bis ggf. ins Grundwasser oder mit dem Oberflächenabfluss (Runoff) in Oberflächengewässer. ...
Quelle: Auszug aus dem Bericht des von Umweltbundesamt geförderten Forschungsvorhabens "Untersuchungen zum Abflussverhalten von Veterinärpharmaka bei Ausbringung von Gülle auf Ackerland und Weide"
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Quelle: TAZ vom 26.10.2010